Schloß Boizenburg (Uckermark)

#1 von Kakadu , 28.04.2018 21:19

Ich beginne mal mit Schloß Boizenburg. Mir bekannt als Armee-Erholungsheim der NVA. Selbst dort Urlaub gemacht.
Wenn im nachfolgenden Buchzitat von Erholungsheim für NVA-Offiziere die Rede ist, ist das natürlich Quatsch. Dort konnte auch jeder Berufssoldat- also auch BU und Fähnriche- sowie Zivilbeschäftigte einen Urlaubsplatz erhalten.

(Quelle: "Burgen, Schlösser, Gutshäuser in Brandenburg und Berlin", herausgegeben von Bruno J. Sobotka Konrad Theiss Verlag GmbH & Co., Stuttgart 1996)
Das Schloss war der Mittelpunkt des zuletzt etwa 12 000 ha großen land- und forstwirtschaftlichen Besitzes Boitzenburg. Seit 1528 befand es sich in ununterbrochener Folge in der Hand der Familie von Arnim, die 1786 in den Grafenstand erhoben wurde. Im Laufe der Jahrhunderte dienten ihre Mitglieder den brandenburgischen Kurfürsten und später den preußischen Königen, vornehmlich in hohen Staatsämtern. Sie stellten Landvögte in der Uckermark, bekleideten die Posten von Ministern und übten das Amt von Präsidenten und Oberpräsidenten in der preußischen Verwaltung aus. Der vorletzte Besitzer von Boitzenburg, mein Großvater, war zugleich der letzte Präsident des preußischen Herrenhauses, dessen Funktion durch die Weimarer Verfassung überholt wurde. Der letzte Arnim in Boitzenburg enthielt sich wegen seiner antinationalsozialistischen Haltung einer Beteiligung am politischen Leben und hatte keine Staatsämter mehr inne.
Das Schloss wurde im 16. Jahrhundert im Renaissance-Stil erbaut. Sein ältester Teil ist bis heute unverändert erhalten geblieben. Ein weiterer Teil wurde im 18. Jahrhundert in Barock umgebaut. Im 19. Jahrhundert fand ein erneuter Umbau in Tudor und schließlich Ende vorigen Jahrhunderts nochmals eine Veränderung in Neu-Renaissance statt. Dieser Teil des Schlosses wurde im Herbst 1945 durch Brand erheblich beschädigt und unter grober Missachtung denkmalpflegerischer Aspekte wiederhergestellt.
Der Park wurde von dem preußischen Forstminister Friedrich Wilhelm Graf von Arnim nach englischem Vorbild im 18. Jahrhundert gestaltet und von Peter Joseph Lenne im 19. Jahrhundert ausgebaut. Nach 1945 wurden fast alle alten Parkbäume gefällt und Baracken sowie ein Fertigplattenbau auf dem Gelände errichtet, wodurch die Parkanlage praktisch zerstört worden ist.
In Verbindung mit Schloss und Park sind aus dem 18. Jahrhundert einige weitere kulturhistorisch bedeutsame Bauten wie der ehemalige Marstall und verschiedene Tempel u. a. von Langhans d. Ä. sowie von Denkmälern z. B. von dem Bildhauer Gottfried Schadow zu nennen. Sie sind nach 1945 entweder verfallen oder, wie der Marstall, durch Um- und Anbauten völlig entstellt worden. Einige Bauten aus dem 18. Jahrhundert in der Umgebung des Schlosses wurden abgerissen.
Untrennbar mit dem Schloss Boitzenburg verbunden ist die Geschichte des Zisterzienser-Klosters Marienpforte, dessen Ruine in Sichtweite am anderen Ende des Ortes liegt. Seit 1945 haben Konservierungsarbeiten nicht mehr stattgefunden, dementsprechend schreitet der Verfall des Gemäuers fort.
Zu nennen ist auch die Kirche von Boitzenburg, deren 700jähriges Bestehen 1981 gefeiert wurde. Am Gottesdienst und dem anschließenden Gemeindefest nahmen meine Frau und ich damals, noch lange vor der „Wende", teil, freudig begrüßt von den Menschen, die sich mutig zur evangelischen Kirche bekannten. Nach verschiedenen Umbauten gilt der Bau heute als eine der schönsten und wertvollsten Barockkirchen Norddeutschlands. Leider ist sie stark vom Verfall bedroht, auch wenn das Kirchenschiff vor etwa zehn Jahren neu gedeckt wurde. Spenden der Arnim'schen Familie reichten aber nicht aus, eine weitergehende Renovierung durch¬zuführen. Den Innenraum schmücken ein schöner Altar aus dem 18. Jahrhundert sowie u. a. ein Epitaph von Georg-Dietlof von Arnim, der sich um den Wiederaufbau der Uckermark und ihrer Kirchen nach dem Dreißigjährigen Krieg verdient gemacht hatte.
Das Schloss beherbergte eine wertvolle Bibliothek, die in einem eigens dafür im 18. Jahrhundert errichteten Flügel untergebracht war. Ihr Bestand wurde 1945 in Kisten verpackt, über Winter auf dem Schlosshof im Freien gelagert und schließlich 1946 mit unbekanntem Ziel abtransportiert. Ein ähnliches Schicksal erlitten über 100 Familienporträts bekannter deutscher und europäischer Maler sowie eine umfangreiche Sammlung von Gemälden berühmter Tier- und Jagdmaler. Ihr Verbleib ist ungeklärt, und solange die Bundesregierung kein Rückgaberecht beschließt, muss die Armin'sche Familie mit ihrem vollständigen Verlust rechnen.
Erwähnt werden sollen in diesem Zusammenhang verschiedene Räume im Schloss mit Stuckdecken aus unterschiedlichen Epochen. Als historisch besonders interessant gilt eine Stuckdecke mit Szenen aus verschiedenen Erdteilen, die von italienischen Stuckateuren angelegt wurde. Der Feldmarschall Hans-Georg von Arnim hatte sie auf ihrem Weg zum schwedischen König Gustav Adolf während des Dreißigjährigen Krieges festgehalten und sie gegen angemessenes Entgelt zu dieser Arbeit veranlasst. Diese Decke ist auch heute noch einigermaßen erhalten. Meine Großeltern ließen ein Esszimmer in norwegischem Jugendstil herrichten, zu dem Holz und Speckstein aus Norwegen für die eingezogene Decke sowie die Wandtäfelung verwendet wurden. Auch der Kamin war aus norwegischem Speckstein gebaut worden, eine Kuriosität unter den sonst im Schloss vorhandenen Stilrichtungen.
Diese Ausstattung ist heute durch Übermalung von Holz und Stein völlig entstellt. Den großen Saal schmückte u. a. ein Fries aus Wappen der Frauen, die durch Heirat nach Boitzenburg gekommen waren. Das letzte Wappen war das meiner Mutter, einer geb. Freiin von Loen. Auf Wandkonsolen standen zahlreiche Stücke eines Tafelaufsatzes, die der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II., meinen Großeltern zum Gastgeschenk anlässlich eines längeren Aufenthaltes im Schloss während des so genannten Kaisermanövers 1911 machte. Diese Stücke gingen auch verloren.
Auf den mittelmäßigen Böden von Boitzenburg wurde intensiv Landwirtschaft betrieben. Neben moderner maschineller Ausrüstung gab es auf den Betrieben wertvollen Viehbestand mit anerkannten Rinder-, Schaf- und Pferdezuchten. Wichtigster Wirtschaftszweig war der etwa 8 000 ha umfassende Forst. Er bestand überwiegend aus Kiefer, aber auch aus Buchen und Eichen in Furnierholzqualität. Außerdem gab es sehr qualitätsvolle Lärchen, deren älteste Exemplare etwa 200 Jahre alt sind und unter Naturschutz stehen.
Die Erträge dieser Wirtschaft dienten der Erhaltung der kulturellen Bauten und Einrichtungen und dem Schutz der Natur sowie vor allem der Erfüllung sozialer Verpflichtungen. Die besondere Fürsorge der Besitzer galt den Mitarbeitern und ihrer Familien. Eine moderne Schule, Kindergärten und Schwesternstationen waren schon vor dem Ersten Weltkrieg errichtet worden. Als Patron von mehr als einem Dutzend evangelischer Kirchen in Boitzenburg und den umliegenden Dörfern fiel ihnen die Verpflichtung zur Erhaltung der Bauten wie auch zur Pflege der kirchlichen Gemeinden zu.
Der letzte Besitzer von Boitzenburg, Joachim Graf von Arnim, war mein Vater. Er und meine Mutter konnten sich bei Einmarsch der sowjetischen Truppen an ihrem Silberhochzeitstag, dem 27. April 1945, in Sicherheit bringen. Im Sommer 1945 wurde der gesamte Besitz einschließlich der ganzen persönlichen Habe und privater Erinnerungsstücke im Zuge der so genannten Bodenreform durch die kommunistischen Machthaber in der Sowjetischen Besatzungszone entschädigungslos enteignet. Im Schloss wurde zunächst „kasernierte Volkspolizei" untergebracht; später wurde das Schloss Schulungs- und Erholungsheim für Offiziere der „Volksarmee". Während die Innenräume völlig umgewandelt wurden, blieb das Schloss äußerlich - abgesehen von den erwähnten schweren Brandschäden - weitgehend erhalten. Schloss und Park wurden schwer bewachtes militärisches Sperrgebiet. Im Ort Boitzenburg hieß es dazu: „Als alles noch dem Grafen gehörte, hatten wir freien Zugang. Jetzt gehört alles dem Volk, aber es hat keinen Zutritt."

(zitiert nach "Burgen, Schlösser, Gutshäuser in Brandenburg und Berlin", herausgegeben von Bruno J. Sobotka Konrad Theiss Verlag GmbH & Co., Stuttgart 1996)


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RE: Schloß Boizenburg (Uckermark)

#2 von abel ( gelöscht ) , 28.04.2018 21:38

AEH = Armee-Erholungsheim Boizenburg, PF 35756, 2091 Boizenburg

Boizenburg war auch Zentrale für eine Erholungsheimgruppe. Welche AEH zu dieser Gruppe gehörten kann ich nicht mehr sagen.

abel

   

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