Die Eigenzeit der DDR-- DDR Atomuhr

#1 von willi-wichtig , 19.08.2018 22:03

Wenn man sie als Uhr bezeichnet, trifft das genau zu und ist doch unpräzise, denn sie war mehr als etwas, das den Menschen anzeigte, wie spät es ist. Für die drei Männer, die an ihr arbeiteten, war sie Lebenssinn, der wegbrach, als die Zeit sich wandelte. Das Land, in dem sie entwickelt wurde, wollte sich mit ihr unabhängig machen von der Zeit des Westens. Aber bevor die DDR mit ihrer Atomuhr eine Sekunde messen konnte, war es zu spät. Nach der Wiedervereinigung wurde das Entwicklungslabor in Berlin-Friedrichshagen aufgelöst. Die Väter der DDR-Atomuhr mussten feststellen, dass das Ergebnis ihrer jahrelangen Arbeit nicht mehr gebraucht wurde.

Ein langer Gang, es riecht nach Essig. Links führt eine Treppe hinab. Eine Tür. Dahinter noch eine Treppe, schmal und steil. Sie führt zum tiefsten Punkt des Gebäudes, schwarze Plastikschläuche hängen von der Decke. Sie strömen gleichmäßig Luft aus, damit die Temperatur bei stabilen 20 Grad Celsius bleibt. Nur ein leises Brummen, sonst ist es still.
Dort steht ein etwa drei Meter langes und eineinhalb Meter hohes Gerät, das den halben Raum einnimmt. Es sieht so aus, als habe man es aus einem Heizungskeller ausgebaut. Rein äußerlich hat dieses Gerät keine Ähnlichkeit mit einer Uhr. Es tickt nicht, rattert nicht, gibt nicht einmal ein feines Surren von sich.
Das Herzstück ist ein grünliches Metallrohr. Es ruht zwischen zwei Edelstahlzylindern, an die wieder kleinere Zylinder geschraubt sind. Kabel ragen aus ihnen heraus, die Enden hängen schlaff herunter. Sie verbanden einmal das Rohr mit einem sonderbaren Kasten, silberglänzend und mannshoch mit Knöpfen, Schaltern und einem Zähler.
Dietrich Kahnt, der bis zur Wiedervereinigung mit zwei Kollegen an der Atomuhr der DDR arbeitete. Die Geschichte erzählt von Menschen, die nach Erfüllung in ihrer Arbeit strebten, und sie erzählt von dem Versuch, an der Weltspitze zu stehen.

Wenn man Wissenschaftler nach dem Grund für die Suche nach der präzisesten aller Sekunden fragt, dann sprechen sie von der zivilen Nutzung der Atomuhr, von Navigationssystemen, von Telekommunikation, der Wissenschaft, der Industrie, von der Weltzeit.
Ursprünglich aber ging es um Macht. Das Militär brauchte Atomuhren für die Satellitensteuerung von Raketen; in den USA entstand so das Global Positioning System, kurz GPS. Das sowjetische Pendent hieß Globalnaja Nawigazionnaja Sputnikowaja Sistema, kurz: Glonass.

Eine eigene Atomuhr sollte die DDR unabhängig machen von der Zeit, die man bis dahin aus dem Westen bezog. Da gab es die Frequenzen der westdeutschen Atomzeit. Seit 1959 empfängt der Sender DCF77 in Mainflingen bei Frankfurt die Signale von der Mutteruhr der Bundesrepublik aus Braunschweig und sendet sie mit einer Reichweite von etwa 1500 Kilometern. Das MfS hörte diese Frequenzen vom Brocken im Harz aus ab.
Das hätten sie auch einfacher haben können- einfach die Zeitansage der Deutschen Post anrufen.

Die Uhr war einmal als Teil eines Systems gedacht, das die sozialistischen Länder unabhängig von der Weltzeit machen sollte. 1984 unterzeichneten die DDR, Bulgarien, Ungarn, Kuba, die Mongolei, Polen und die UdSSR im Rahmen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe RGW dazu ein Abkommen.
Dort heißt es: Die Republiken vereinbaren "auf der Grundlage der Prinzipien des sozialistischen Internationalismus" und "in Anerkennung der Zweckmäßigkeit eines engeren Zusammenschlusses der Kräfte zur Einheitlichkeit der Zeit- und Frequenzmessungen höchster Genauigkeit", zusammenzuarbeiten "mit dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen Zeitdienstes des RGW".

Friedrichshagen liegt im Südosten von Berlin, am Müggelsee. Es gibt Bäckereien, in denen belegte Brötchen einen Euro kosten und ein Kino, das einen Film zeigt, der in der Stadtmitte längst schon nicht mehr läuft. Eine Allee führt zwischen verwitterten Villen und einem Wald entlang, dort lag das Zeitinstitut der DDR. Bis auf eine dreischiffige Halle wurden alle Gebäude abgerissen.
Ein hoher Zaun mit Stacheldraht sperrt das Gelände ab. Dort, wo Haus 23 mit der Atomuhr der DDR stand, wird bald ein neuer Bau entstehen. Ein großes Blechschild informiert, dass er ein Magazin der Berliner Staatsbibliothek, des Ibero-Amerikanischen Instituts und des Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz beherbergen soll.


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RE: Die Eigenzeit der DDR-- DDR Atomuhr

#2 von Katjes , 19.08.2018 22:08

Seit 23. März 2009 kann im Thüringischen Weida auf der Osterburg die rund 300kg schwere, Atomuhr der DDR besichtigt werden.
Bauteile für diese Uhr kamen nicht nur aus der Sowjetunion sondern auch aus dem westlichen Ausland.


 
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zuletzt bearbeitet 19.08.2018 | Top

RE: Die Eigenzeit der DDR-- DDR Atomuhr

#3 von Berliner ( gelöscht ) , 19.08.2018 22:12


Angefügte Bilder:
atomuhr.jpg  
Berliner
zuletzt bearbeitet 19.08.2018 22:12 | Top

   

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