Die Bahn

#1 von Joker , 22.12.2018 18:41

Die Bahn steht unter gewaltigem Druck: Es gibt ein neues Milliardenloch. Die Politik verlangt einen Radikalumbau. Doch der Aufsichtsrat warnt vor übereilten Aktionen.
Das Herz der Deutschen Bahn pocht in einem unauffälligen Bürohochhaus. Frauen und Männer sitzen in einem abgedunkelten Raum, jeder vor mindestens acht Bildschirmen voller bunter Linien. Jede von ihnen zeigt einen Zug. So dicht getaktet ist der Fernverkehr in Deutschland.
In der Frankfurter Netzleitzentrale bringen die Mitarbeiter Ordnung in die tägliche Raserei. Die Fahrdienstleiter entscheiden nicht nur darüber, welcher ICE Vorrang hat und welcher warten muss. Sie entscheiden, ob wir zu spät zum Termin kommen, die Kinder ins Bett bringen oder die Geschenke noch rechtzeitig unter den Tannenbaum legen können.
Seit geraumer Zeit leidet das Herz der Bahn an schweren Rhythmusstörungen. Die Bildschirme der Leitstellen zeigen die Probleme, der Fahrplan gilt längst nur noch als Richtgröße. Unpünktlichkeit ist zum ständigen Begleiter geworden. „Noch mal kuscheln, statt am Bahnsteig warten“, heißt es auf einem Werbeplakat der Bahn. Die Unpünktlichkeit soll vom Passagier per App und Smartphone gemanagt werden – und nicht etwa von der Bahn abgeschafft werden.
Wie soll es auch gehen? Die Fahrzeugflotte ist teilweise in desolatem Zustand, der Service auf Bahnhöfen wie im Zug klappt nicht. Grafitti-beschmierte Waggons zeugen vom Notstand in den Betriebswerken. Ausbaden müssen es die Passagiere, die sich schon gar nicht mehr aufregen – der Ausnahmezustand wird zum Normalfall. „Wir merken bei den Fahrgästen ein Stück weit Resignation“, sagt Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn.
Das Desaster findet nicht nur auf dem Bahnsteig statt. Auch in der Bilanz der Bahn zeigt sich eine massive „Verzögerung im Betriebsablauf“, wie es so schön im Beamtendeutsch in den Lautsprecherdurchsagen heißt. Erst vor wenigen Tagen flatterte die jährliche „Mittelfristplanung“ auf die Schreibtische der Aufsichtsräte und verhagelte ihnen die Feiertagslaune.
Es ist eine Hiobsbotschaft: Nach Handelsblatt-Informationen muss die Bahn ihre Gewinnprognose um 3,1 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren nach unten korrigieren.
Es ist schwere Kost. Auf ganzen 1.200 Seiten ist akribisch festgehalten, was bei dem größten Eisenbahnkonzern Europas zu erwarten ist. Der Verfasser des Monumentalwerks: Richard Lutz. Der muss eingestehen, das in seiner Amtszeit von knapp zwei Jahren als Vorsitzender insgesamt vier Milliarden Euro an erwarteten Gewinnen abhandengekommen sind. Ein herber Schlag. Angesichts der maroden Flotte und des Ansturms von Passagieren soll jetzt eigentlich so viel investiert werden wie noch nie.

Die Lage ist mittlerweile so kritisch, dass die Politik eine Radikalreform fordert. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat seinen parlamentarischen Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) vorgeschickt. Der ist zugleich Bahnkoordinator im Auftrag der Regierung und „besorgt, wie der Vorstand das System Bahn fährt“. Ferlemann fordert: Verbesserungen müssten schneller kommen, viel schneller als der Bahn-Vorstand sich das vorstellt.

Grüne wie FDP meinen, jetzt sei der richtige Zeitpunkt für eine alte Forderung gekommen, die Zerschlagung der Bahn. Das Netz soll in eine bundeseigene Gesellschaft überführt und vom Eisenbahnbetrieb abgetrennt werden.

Doch die Zeit eilt. Zuverlässigkeit des Bahnverkehrs, Finanzierung und Organisation des Bahn-Konzerns stehen in einem engen Zusammenhang. Nicht ohne Grund beklagt Lutz, dass oftmals gegeneinander statt miteinander gearbeitet werde. Entscheidungen des Vorstands werden einfach nicht ausgeführt, bestätigt ein leitender Angestellter: „Die Aufträge werden zwar weitergegeben, aber es passiert nichts.“ Viel zu lange habe Lutz gezögert, auch die Organisation des Konzerns umzubauen, kritisiert ein Aufsichtsrat.

Der Spagat zwischen Staatsbetrieb und Aktiengesellschaft trieb über die Jahrzehnte bunte Blüten. Die kann sich jeder im hinteren Teil des Geschäftsberichts anschauen. Dort sind sorgsam aufgelistet rund 950 Gesellschaften, an denen die Deutsche Bahn beteiligt ist. Die Palette reicht von der Bayern Express & P. Kühn GmbH über Dutzende Arriva-, Cargo- und Schenker-Niederlassungen bis zur Stinnes Holz GmbH in Berlin.
Allein unter dem Dach der Konzernholding mit ihren sechs Vorstandsmitgliedern tummeln sich zahlreiche Aktiengesellschaften. Die größten davon sind Fernverkehr, Regio und Cargo. Diese drei wickeln das Kerngeschäft Eisenbahn in Deutschland ab. Dazu kommen drei Infrastrukturtöchter Netze, Energie, Personenbahnhöfe. Die meisten davon mit Vollausstattung aus Vorstand und mitbestimmtem Aufsichtsrat.

Das Problem: Alle Tochter-AGs müssen laut Gesetz eigenständig geführt werden. Was dort geschieht, wird dem Bahn-Konzernvorstand oder erst recht dem Aufsichtsrat allenfalls nachrichtlich zur Kenntnis gegeben. Es entstehen Pannen, die von der inneren Logik des Konzerns aus wenig verwundern – aber von außen betrachtet oft unglaublich sind.
So strich DB Regio in Nordrhein-Westfalen das Schönes-Wochenende-Ticket. Das wurde ausgerechnet am vergangenen Mittwoch bekannt, just in dem Augenblick höchster politischer Erregung. Ein Sturm der Entrüstung war die Folge. „Bahn schafft nach 24 Jahren Wochenend-Ticket ab“, wütet die „Bild“-Zeitung. Als wenn der Staatskonzern gerade keine drängenderen Probleme hätte.

Ein anderes Beispiel: Vor zwei Jahren plante die Bahn-Tochter DB Netz ausgerechnet während der Industriemesse in Hannover, einen Teilabschnitt der Schnellstrecke aus Frankfurt Richtung Niedersächsischer Landeshauptstadt instand zu setzen und zu sperren. Tausende Messebesucher hätten aufwendige Umwege in Kauf nehmen müssen. Die Berliner Konzernzentrale erfuhr davon erst durch die Medien. Doch da war die Blamage schon perfekt – und der Plan nur noch teilweise aufzuhalten.

Reisende sind jedes Mal genervt, wenn der ICE an Bahnhöfen in den kleinen Städten Montabaur oder Limburg anhält. Es geht doch um Sekunden bei der Fahrt zwischen Köln und Frankfurt. Aber die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Hessen drohten in den Neunzigerjahren, den Bau der Hochgeschwindigkeitstrasse zu blockieren, daher der Kompromiss. Die Bahn findet zu ihrem Ursprung zurück: dem 19. Jahrhundert. Als die Eisenbahn erfunden wurde und die Fernstrecken gelegt wurden – da bestimmten in Europa die Monarchen über die Lage von Bahnhöfen.

Die Bahn hat schlicht einen Vorstand zu wenig. Jedenfalls in der jetzigen Konstellation. Infrastruktur (Ronald Pofalla), Personenverkehr (Berthold Huber) und Güterverkehr (Alexander Doll) sollen unbedingt im Konzernvorstand vertreten sein. Dazu kommen Finanzen, Personal (Martin Seiler) und Digitalisierung (Sabina Jeschke). Und natürlich der Chefposten, auf den sich Lutz in wenigen Tagen endlich konzentrieren kann.

Strukturreform?
Konsequenter wäre die Lösung, die Vorstandschefs der Konzerntöchter Cargo, Regio und Fernverkehr zugleich als Konzernvorstände zu installieren. Oder alternativ einen Produktionsvorstand zu bestellen, der dann für den gesamten Bahnverkehr in Deutschland verantwortlich zeichnet. Dazu will derzeit niemand etwas sagen. Aus gutem Grund: Es müssten Köpfe rollen, denn betroffen von diesem Umbau wären mindestens sechs Vorstände auf der ersten und der zweiten Führungsebene.

Ein Verschiebebahnhof der ganzen anderen Art. Damit dominieren mit ihren zehn Sitzen Politik und Regierungsapparat die Kapitalseite des Aufsichtsrates. Frenzel hatte im Sommer bei seinem Abgang noch vor dem wachsenden Einfluss der Politik gewarnt. Der Manager sieht den Konzern „zurück auf dem Weg zur Staatsbahn“.

In der Leitzentrale in Frankfurt im Gallusviertel gibt es einen besonderen Raum. Dort sind acht Arbeitsplätze, alle voll ausgerüstet und in Betrieb, obwohl dort niemand sitzt. Die Monitore an der Wand zeigen ihren Zweck. „Totalsperrung“, „Erkundung“, „Dauerkurzschluss“ steht auf roten Fähnchen, die einzelne Punkte im 33.000 Kilometer langen Streckennetz markieren.
Es ist das Lagezentrum für Großstörungen. Hier trifft sich der Krisenstab der Deutschen Bahn, wenn Sturmtief „Xavier“ über das Land fegt oder ähnliche Katastrophen passieren. Sozusagen der War-Room der Deutschen Bahn.

Ich weiß, etwas viel Text- aber wie soll der Moloch Bahn annähernd beschrieben werden ?

Joker  
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RE: Die Bahn

#2 von Maximilian , 15.08.2019 13:37

Berlin-München: Bahn-Neubaustrecke verdoppelt Fahrgastzahl
Die neue Schnellfahrstrecke Berlin-München lässt mehr Reisende auf die Bahn umsteigen. Seit der Eröffnung im Dezember nutzten zwei Millionen Fahrgäste die Verbindung, wie die Bahn der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Das sei mehr als doppelt so viel wie zuvor und mehr als erwartet. Fernverkehrschefin Birgit Bohle sprach von einem bemerkenswerten Erfolg und bekräftigte, von Dezember an mehr Züge zwischen beiden Städten fahren zu lassen. Täglich sollen dann fünf statt drei Sprinter pro Richtung fahren.
Die Bahn sagt:
Die Fahrzeit zwischen Berlin und München war durch die neue Strecke von sechs Stunden auf rund vier Stunden im Sprinter gesunken. Normale ICE mit häufigeren Stopps brauchen mindestens 4:25 Stunden. Auf den 623 Kilometern über Erfurt fahren die Züge mit bis zu Tempo 300.

Wer dort mit dem ICE fährt, weiß dass Bahn und Medien lügen. Denn Berlin-Erfurt fährt der ICE auf der alten Trasse und dort zum Teil nur mit 60km/h.
Auch auf dem neuen Teilstück Erfurt- Nürnberg habe ich den Fahrtenanzeiger im ICE noch nur über 240 km/h gesehen.
Nürnberg - München ist dann wieder die alte Bahnstrecke- aber schon lange für ICE ausgebaut und ertüchtigt.

Bei 4 Stunden Sprinterzeit sind viele Mitbürger aufs Pendeln Berlin-München umgestiegen.


 
Maximilian
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zuletzt bearbeitet 15.08.2019 | Top

   

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