Kalibergwerk Bischofferode

#1 von Wassermann , 01.01.2022 20:46

Kalibergwerk Bischofferode
Dem ehemaligen Kalibergwerk Bischofferode wird an diesen WE sein Wahrzeichen genommen.
Der Förderturm wird demontiert.

Bischofferode- wurde 1993 weltbekannt durch den Hungerstreik für Erhalt der Arbeitsplätze.
Ein trauriges Jubiläum steht in wenigen Wochen an. Dann liegt der Hungerstreik der Bischofferöder Bergleute 25 Jahre zurück. Es ist ein Arbeitskampf, der bundesweite Aufmerksamkeit erlangt – denn die Kumpel wehren sich vehement gegen die Schließung ihrer Grube. Sie verlieren.
Ein Vierteljahrhundert später sieht über Tage noch einiges genau so aus wie 1993. Das ändert sich in diesen Tagen. Der Förderturm am Schacht 2 wird verschwinden. Dafür liefen seit Tagen die Vorbereitungen. Die heiße Phase des Abbaus hat Samstag begonnen. Eine Sprengung ist nicht möglich, wegen der unmittelbaren Nachbarschaft weiterer Unternehmen. Dass der Förderturm demontiert wird spricht sich schnell in der Region herum in der bis heute viele Bergleute leben, die fast ihr ganzes Leben unter Tage verbracht haben – und von diesem Mythos nie los gekommen sind.
Der Mitteldeutschen Kali AG ist bis heute nicht vergessen worden, dass sie dereinst die Schließung des Bischofferöder Werkes vorangetrieben hat. Ein letzter Gruß erreicht sie an diesem Freitag, an dem drei Kräne anrollen um die Demontage des Turmes vorzubereiten – und der Region eines der letzten sichtbaren Zeichen der Bergbautradition zu nehmen. In etwa 50 Metern höhe haben Unbekannte in der Nacht einen Schriftzug am Förderturm angebracht: „Dank MDK“ steht hier in schwarzen Lettern geschrieben – ein ironischer Dank. Es ist ein „Danke für nichts“, wie es Jugendliche heute ausdrücken würden, die in dem Alter sind, in dem viele Kali-Kumpel dereinst das erste Mal eingefahren sind.

Zu ihnen gehört Günther Kruse aus Bischofferode. Er sei oft mit dem Fahrrad in der Nähe unterwegs, sagt er, als ich ihn am Förderturm treffe. Kruse hat bis 2015 sein ganzes Berufsleben im Bergwerk Bischofferode verbracht. Als Auszubildender, als Großgerätefahrer – als Arbeitskämpfer, der 1993 mit in den Hungerstreik getreten ist, der mit Beginn der Verwahrmaßnahmen am 1. Januar 1994 allerspätestens, aber eigentlich noch viel früher verloren war. Ob er immer noch einen Groll verspüre? Günther Kruse geht in sich, die Worte fallen ihm sichtlich schwer. „Man verwindet es ein bisschen“, sagt er. Aber eben nicht so ganz. Denn Kruse wie viele seiner Kumpel wissen, dass die Vorräte unter Tage noch für weitere fünf Jahrzehnte Abbau gereicht hätten.
Bis heute sprechen sie darüber, dass es Alternativen gegeben habe. „Ich war immer dabei“, sagt der Mann. Und er weiß: „Die Vorräte unter Tage hätten noch lange gereicht.“ Er hat 2015 die Rente erreicht und ist 1973 als Lehrling erstmals in die Grube eingefahren. Der Abbau des Förderturms soll morgen beendet sein. Drei Tage haben die insgesamt 20 Mitarbeiter von Schachtbau Nordhausen daran fast rund um die Uhr gearbeitet und die Unterstützung einer regionalen Entsorgungsfirma gehabt.
Vor einem Dreivierteljahr ist die Grube bereits beräumt worden. Im Herbst 2017 waren die Verwahrarbeiten unter Tage beendet. Die Verfüllung der Zugänge zur Grube ist beendet. Noch in diesem Jahr sollen die letzten Verwahrarbeiten abgeschlossen sein, teilt ein Sprecher der Lausitzer Mitteldeutsche Bergbau- und Verwaltungsgesellschaft LMBV, die Eigentümer ist, auf Anfrage dieser Zeitung mit. Nach dem zweiten Förderturm werden auch weitere Gebäude zurückgebaut werden. In denen künden teilweise noch Relikte von der Bergbautradition: Hier stehen die Grubenlampen der Kumpel, dort noch hängt eine vergessene Jacke eines Kumpel am Haken. Auch die Nummertafeln sind gerettet – darauf zu sehen: In der Spitze haben 860 Bergleute und noch einmal 200 Lehrlinge und Mitarbeiter von Fremdfirmen in Bischofferode gearbeitet.

Sie alle haben über das Vierteljahrhundert, das seit der letzten Förderschicht vergangen ist, mit gemischten Gefühlen nach Bischofferode geschaut. In dem Wissen, dass die Schließung zu diesem frühen Zeitpunkt nicht notwendig gewesen wäre – Aktivisten haben deutlich gemacht, dass die Wunde nicht verheilt ist. Davon kündet der Schriftzug „Dank MDK“ am Turm.

Hier wird Ostdeutschen wieder ein Teil ihrer Identität genommen.

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