RE: Herbst 1989

#31 von Hugo , 20.06.2016 22:27

Viel wurde und wird immer über den Einsatz der Falli gemunkelt. In einen anderen Forum brachte ein Kommandeur der Fallis seine Erinnerungen so in Worte.
Ich möchte es hier beitragen, da nicht Jeder von hier in dem Forum mitlesen kann:

Zitat
wer sich die Mühe macht historisch die Situation zu betrachten, den erinnere ich an die zeitliche Abfolge und wie das jemanden mitnimmt, dem die Orientierung abhanden kommt. 7. Oktober Parade. Wir wußten nicht, warum die Zuschauer fehlten. Nur bei unserem Block wie immer die Resis (Kern: Willi Sänger Club Berlin), die klatschten und sich freudig umarmten. Stasi machte Personenkontrollen. MVM schlichen um unsere Leute, die in Zivil hinter der Absperrung standen. Die Situation war so komisch und bedrückend, dass wir nach der Parade komplett zurück verlegten und nicht wie sonst die Jahre, mit kleiner Delegation in den W.S.Club feiern fuhren.

Ich glaub eine Woche später:
Freitag erfuhren wir: 3 Hundertschaften bilden- es geht nach Leipzig. Der frisch beförderte General Wejda kam nach Lehnin und ließ sich in der BA Kammer als FJ einkleiden. ( Stv des StChef LASK Chef Ausb).
Nachts ging es absolut gedeckt nach Leizig. Die Waffen und Munition verblombt in Containern. Extra eingerichtete illegale Autobahn, Abfahrt, gesichert mit Kradmeldern, schließlich Artillerieregiment im Zentrum von Leipzig. Die Kaserne fast leer- nur Stammpersonal (Wache/Küche etc)
Die Hundertschaften wurden verteilt.
Sa/So/Mo Training zum Rausholen von Gewalttätern aus einer friedlichen Demo. unbewaffet mit Plasteschild und Stöckchen lang.
Das auch mit realem Gegner in Form der Nachbarhundertschaft.
Na klar, wenn sowas FJ machen, geht schon einiges kaputt.... Schilder und Stöckchen.... das Stammpersonal war über dieses Training schockiert und so berichteten später auch welche der Presse.
Dann die Demo. Wir hörten "Wir sind das Volk" durchs offne Fenster und in Stimme der DDR Sender Leipzig, die in der Demo waren.
Es gab keine Gewalttäter, also keinen Einsatz, aber bei uns allen Empörung ! Vom Kdr. bis zum Soldaten. Wir lassen uns nicht gegen das eigne Volk einsetzen.

Also schrieben wir in einer Berufssoldatenversammlung gleich Dienstag früh einen Brief an Honni. Der V°ler war auch dabei.

Dann wieder zu Hause hatten die Männer Fragen über Fragen und keiner von uns konnte sie beantworten. Müssen wir jetzt unsre DDR schützen oder geht es um eine bessere DDR ? Auf jeden Fall nicht gegen unser Volk.
Also fuhr ich ins Kdo LaSk wo ich dieses Gespräch mit Stechi hatte, der zu uns kommen wollte am nächsten Tag entlassen wurde.
Wieder keine Antworten....

Dann kam erhöhte GB. Wir sollten in Berlin an die Mauer, was aber den Soldaten vorerst nicht gesagt wurde. Wir hatten erhöhte Führungsbreitschaft im Drittelsystem. Die Waffen waren am Mann (auch auf`m Bett/ die W-50 marschbereit auf dem Ex Platz).
Das Truppenteil war definitiv kampf und gefechtsbereit im vollen Personalbestand. Angespannt, etwas verunsichert aber bereit.

An einem Sonnabend log der Chef der politischen Hauptverwaltung Generaloberst Brünner direkt in den Berliner Rundfunk, "Helgas Topmusike", den damals alle hörten auf den Stuben - "kein TT der NVA ist in erhöhter GB".
Verarschen die uns jetzt total ?

Mauer auf.... SED aufgelöst (in 30 Tagen).... und dann Weihnachten. Irgendein selten dämliches Rindvieh befiehlt den normalen GB Rythmus über die Feiertage und bei uns ausgerechnet das 3. Dienstjahr. Während dessen ist die gesamte NATO im Weihnachten und die Nation feiert Verbrüderung.
Dann passierte das was ich oben beschrieb und auch heute noch stelle ich mich vor jeden, der damals das Gebäude mit platt gemacht hatte.

Verarscht von der eignen nicht mehr vorhandenen, aber auf dem Papier existierenden Führung.

PS: GO Brünner ist katholisch bestattet worden, auf einem brandenburgischen Dorf, wo ihn kaum einer kannte. Ob er das so wollte, oder nur seine Familie sei dahin gestellt. Die Familie haben wir jedenfalls in der Fontanestraße Straußberg jahrelang mitbewacht. Kessler, Strelitz ua. sind die Unterkiefer runter gefallen.

 
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RE: Herbst 1989

#32 von Hugo , 20.06.2016 22:27

Dann zur Aufruhr:

Zitat
ist eigentlich ganz schön lustig. Als "offizier für Erd und Feuerbestattung" (Spitzname von Arti) hätte ich was mitbekommen müssen.
Der mil. Nahkampf an den Gummipuppen (eine ist noch da und heißt "Kurti") mit Hand/Fuß/Ellbogen/ Knie/KampfMesser/Spaten/Mpi mit SG war normaler Bestandteil der Ausbildung und für uns eine Normalität.
Sicher für "friedliebende Beobachter" ziemlich martialisch, stimme ich zu.

Es gab diesen Ausraster des 3. DJ abends/ nachts am 24.12.89 im UG 301, welches zu einem Häuserkampfobjekt umgestaltet wurde.
Dabei gab es keine Toten oder Verletze. Auslöser war "Dingus" KC 4. FJK, der bei gefrusteten, betrunkenen FJ des 3. DJ die weiß der Teufel warum die Gefechtsbereitschaft sichern sollten- Stubendurchgang machte und einem StGfr. ins Gesicht geboxt hat. Das brachte das Faß zum Überlaufen. 3. FJK und 3.DJ STZ schlossen sich an. ... aber das hatten wir alles schon mal. Bretti und ich (OvD und Leitungsdienst) haben (er in der 3. ich in der 4 FJK) unabhängig voneinander die Situation beruhigt.
Dingus wurde am nächsten Tag vom KC entbunden, das 3. DJ nach sofortigem Urlaub und Rückkehr am 5.1.90 entlassen.

Schaden ca 5 Mio Mark der DDR
Das war keine milit. Meuerei- die Waffenkammern blieben zu, auch die Kompanieclubs blieben heil.

So und ich behaupte gefühlsmäßig, das hat kein Bausoldat mitbekommen. Zwischen LWH und dem UG 301 war die gesamte übrige Kaserne. Zum UG 301 traute sich in dieser Nacht niemand, weil dort die Spinte durch die geschlossenen Fenster geflogen kamen. Im Stockfinsteren hat man die ziemlich spät anfliegen sehen.



Zu sehen, "Aufruhr" ist mehr Dichtung.

 
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RE: Herbst 1989

#33 von Berliner ( gelöscht ) , 20.06.2016 22:28

Naja, der Brünner kannte sich ja im militärischen nicht so aus als Politnik. ;) ;)
Auch die LSK/LV hatte bestimmte höhere Bereitschaftsstufen. Die auch zur Mannschaft nicht so vorgetragen waren.
Der diensthabende Chef LSK/LV schlief in der Dienststelle und andere Führungsbereitschaften der B/A/D des Kommandos auch.Waffe am Mann.
Die Wache war verstärkt. usw usw

Berliner

RE: Herbst 1989

#34 von Lisa , 20.06.2016 22:42

Zum Thema 25 Jahre Mauerfall und den unterschiedlichen Disputen dazu zwischen Wessis und Ossis gab es eine interessante Wortmeldung von anett:

Zitat
Ich bin ein "Ostkind" aus MV. Wohne mein ganzes Leben lang schon auf der wunderschönen Insel Usedom. Ich kenne die DDR und die BRD nur als Kind und Jugendliche. Da hatte noch nicht viel mit der Politik in "Ost" und "West" was zu tun. Meine Kindheit war schön und ich habe nichts vermisst. Wir waren glücklich wenn wir im Sommer nur um die Ecke fahren konnten an den Ostseestrand. Wir brauchten keine tollen Reisen an überfüllte SüdseeInseln-Strände. Und es war nicht schlimm, dass wir nur einen einzigen Fernseher hatten und den auch noch in schwarz weiss. Meine Mutti gab mir jeden Tag mein Stückchen Schokolade, mein Softeis, lecker Butterbrot mit zur Schule. Spielte viel mit mir und ging jeden Monat mit mir ins Kino, oder sie freute sich, wenn sie mir ein schönes Kinderbuch schenken konnte und sie es mir vor´m einschlafen vor lesen konnte. Nach der Wende ging es mir mal gut mal "beschissen". Hab mich aber nie beschwert und den Kopf in den Sand gesteckt. Hab immer das Beste draus gemacht. Aber was mir momentan oft Tränen in die Augen schiessen lässt, ist: Dass ich in der Woche hart arbeite in meinem Job, mir ne halbe Stunde am Tag erkämpfen muss um mit meinem Kind spielen zu können. Wenn ich jedes Wochenende meinem Sohn sagen muss: "Schatz, wir können nicht ins Kino fahren, ich habe kein Geld und keine Zeit dafür, weil ich am Wochenende im Nebenjob arbeiten gehen muss, damit ich Geld habe für Benzin, um nächste Woche zur Arbeit fahren zu können." "Nein mein Schatz, eine Überraschungsei kann ich dir heute nicht mitbringen, sonst haben wir kein Geld für die Milch." "Nein, mein Schatz, wir können heute keine Fahrradtour machen, ich hatte diese Woche keine 2 Euro übrig, um Flickzeug für den Reifen zu kaufen." "Nein mein Schatz, wir können deinen besten Freund heute Nacht nicht zu uns einladen, ich habe keine Scheibe Brot übrig für sein Abendbrot und sein Frühstück."
Ich habe Angst, eines Tages mit anhören zu müssen, wie mein Sohn zu seinem Sohn sagt: "Nein mein Sohn, du kannst heute Abend nichts essen, wir haben nur noch einen Keks für die ganze Woche!"

Können wir nach 25 Jahren nicht langsam mal die Vergangenheit ruhen zu lassen und endlich damit anfangen, uns gemeinsam ein schönes, grosses Boot zu bauen, wo wir endlich mal alle in der Mitte sitzen können??? !!!



Solche Themen und Sorgen werden gern von den Regierenden weggelassen....

 
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RE: Herbst 1989

#35 von Sachse , 20.06.2016 22:44

Vor dem Hintergrund der westlichen Kritik einer „Annexion“ der Krim durch Russland will die Staatsduma in Moskau in einer Sondererklärung die „Annexion der Deutschen Demokratischen Republik durch die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1989“ verurteilen.
Der Vorsitzende der Staatsduma, Sergej Naryschkin, beauftragte am Mittwoch den Auswärtigen Ausschuss mit der Vorbereitung einer entsprechenden Erklärung. Damit reagierte Naryschkin auf die immer neuen Vorwürfe aus dem Westen, Russland habe die Krim „annektiert“.

 
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RE: Herbst 1989

#36 von Harald , 20.06.2016 22:45

im Mom wird wieder eine Studie ausgewertet und die Denkweisen von West und Ost nähern sich an.
Immerhin sehen die nach 1989/90 geborene Jahrgänge keine Unterschiede Ossi/Wessi und sehen auch DDR nicht positiv.....
Ich weiß ja nicht wo und wie diese Studie betrieben worden ist. Auf alle Fälle ist in den Medien zur Genüge zur Darstellung gekommen das diese Jahrgänge die DDR zu positiv sehen und das sie in Massen zur Aufklärung durch Gedenkstätten geschleust werden sollten und und so weiter....
Sicher ist die Studie wieder im Regierungsauftrag kräftig nachjustiert worden.

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RE: Herbst 1989

#37 von Domino , 20.06.2016 23:23

Unter den neuen Blickwinkeln der Kiewer "Maidan-Revolution" und der neueren Handregeln der Bundesregierung für Mitglieder des Bundestages könnten auch die Ereignisse 1989/90 in der DDR eine andere Dynamik bekommen.
Auch ich nähere mich jetzt von bereits durch Anderen getroffene Aussagen über eine Fremdsteuerung der "Revolution von 1989".
Ich bin nicht mehr der Auffassung, dass dies alles das Ergebnis reiner Bürgerbewegung in der DDR war.
Zu koordiniert liefen Demos ab- die dann (siehe Pegida) eine gewisse Eigendynamik bekommen.
Zu koordiniert besetzten "Bürgerbewegte" zentrale Stellen des Staates DDR und unterbanden so eigenständiges Handeln von DDR-Staatsorganen.
Zu schnell hatte "Bürgerbewegte" westliche Berater vor Ort.
Wir hatten dann zwar im Frühjahr 1990 neue Volkskammerwahlen. Aber die Regierungsvertreter erwiesen sich schnell als Marionetten. Sofort waren Schlüsselpositionen in Ministerien durch Wessis besetzt worden - Bsp. Staatssekretäre, wichtige Abteilungsleiter..- Diese Personen hatten eigentlich dort nichts zu suchen.
So das hier ganz gezielt und gesteuert der Machtapparat des Staates DDR ausgehebelt worden ist.
Wer dann noch diese käuflichen Typen von Bürgerbewegte vor Augen hat.... eigenständig hätten sie so etwas nie auf den Weg bringen können.

Wir sollten uns von Gedanken verabschieden, dass der Abgang der DDR Volkes Wille war.

 
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RE: Herbst 1989

#38 von Mops , 20.06.2016 23:25

Letzten Endes zählt nur der Erfolg. Und den kann man Denen nicht absprechen.
Allerdings: ohne eine (auch stille) Duldung der Masse der DDR-Bevölkerung wäre auch der beste Umsturzplan nicht realisierbar gewesen.
Irgendwie muß man auch rekapitulieren, dass eben die Masse der Bevölkerung in irgend einer Weise mit diesem Staat nicht mehr einverstanden war. Zu groß war die Diskrepanz zwischen den Berichten der Partei- und Staatsführung und dem persönlich Erlebten. Die Menschen fühlten sich von Erich und Co. verarscht. Hinzu kamen noch viele kleine persönliche "Erlebnisse" mit dem Staat, die allgemeinen Frust aufbauten.
Sicher war es längst keine revolutionäre Situation im klassischen Sinne, aber die Leute waren doch recht sauer. Nur dadurch konnte der Umsturz gelingen, weil er auf duldenden Boden fiel.
Ansonsten hast Du vollkommen Recht: diese sogenannten Bürgerrechtler bestanden doch zum großen Teil aus Öko-Spinnern und Personen, die im normalen Leben nichts auf die Reihe brachten und sich vom Umsturz eine Chance erhofften (z.B. Schult). Mit Erfolg, wie es sich zeigte ...

 
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RE: Herbst 1989

#39 von Bulow ( gelöscht ) , 20.06.2016 23:26

Schabowski verbreitete lax Chaos durch Verlesung eines Inhaltes zugereichter Zettel zur Grenzöffnung.
Vor einigen Tagen die Mitteilung, der Zettel ist wieder aufgetaucht und wird durch die Stiftung Haus der Geschichte in Bonn als Zeitdokument ausgestellt.

Jetzt meldete DPA über Fassungslosigkeit von Irina Schabowski zum Verkauf einer gestohlenen Sache.
Wie sich herausstellte, war dieser Zettel durch Schabowski an Bekannte in den 90gern weiter gereicht worden und eine Rückgabe fand nie statt.
Offennbar hatte der Zettel für Schabowskis keine Bedeutung. Sonst ist man um die Rückgabe bemüht.
Die Bekannten ( Wessis) clever, verkloppten den Zettel für 25000 Euro an die Stiftung.
Jetzt bei Schabowskis Aufregung. Ich denke, die 25000 Euro hätten sie gerne kassiert. Der Neid eben.
Da müssen sie wohl zu Gericht ziehen.

Aber schon ein starkes Stück um so ein Papier auf 25000 Euro zu zocken. Und es gab auch den Idioten der bezahlte. Eben typisch Kapitalismus.

Bulow

RE: Herbst 1989

#40 von Mars , 20.06.2016 23:28

Hier ist ein A4 Blatt im Angebot. Offensichtlich handschriftlich.
http://www.t-online.de/nachrichten/wisse...d-verkauft.html

An anderen Stellen wird aber ein Zettel im Maschinenschrift als das Schabowski-Zettel vorgewiesen. Und zwar die Beschlußvorlage des PB.
Logisch, denn auf seinem handschriftlichen "Wegweiser" zur PK konnte dazu noch nichts stehen.

Die Preissteigerung fabrizierte die UNESCO in dem der Schabowski-Zettel zum Welterbe erklärt worden ist.

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RE: Herbst 1989

#41 von Pic , 20.06.2016 23:29

Auch das gab es:
NEUER TAG / Ausgabe Bernau, 18.1.1990, Das Interview
Das Interview mit Heinz Klos, Vorsitzender des zeitweiligen Untersuchungsausschusses des Kreistages Bernau
172 Objekte durch Ausschuß ermittelt
Am 8. Dezember 1989 hatte sich der zeitweilige Ausschuß zur Erfassung von Objekten des Ministerrates, von Parteien und Organisationen des Kreises konstituiert. Er erhielt am 20. Dezember vom Kreis das Mandat und den Auftrag, bis zum 15. Januar 1990 einen genauen Überblick zu erarbeiten. ...
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NEUER TAG / Ausgabe Bernau, 1.2.1990, Das Interview
Das Interview mit Kreisstaatsanwalt Dr. Klaus Schulze
Ein akuter Verdacht besteht nicht mehr
Trotz bisheriger Informationen über die Aufdeckung von Objekten des ehemaligen MfS im Kreis besteht - das beweisen uns zahlreiche Leserinformationen - noch verbreitet Unklarheit und Unsicherheit in der Bevölkerung. Eines der angesprochenen Themen ist nach wie vor das Gebiet der Schorfheide. Sie sind in den letzten Wochen mit all diesen Sachen umfassend beschäftigt. ..
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NEUER TAG / Ausgabe Bernau, 6.2.1990
Aufruf an alle Bürger!
Der Runde Tisch des Kreises Bernau wendet sich an alle Bürger, weiterhin zur Aufklärung von MfS- und anderen Objekten mit unbekannter Nutzung beizutragen. Listen über vorhandene Objekte sind in den Räten der Orte einzusehen. Vom Runden Tisch wurde eine Kommission unter Leitung der Gewerkschaft (Tel. 2961) gebildet, wohin sich die Bürger speziell wenden können. Diese Kommission wird gemeinsam mit dem Stellvertreter des Rates des Kreises zur schnellstmöglichen Übergabe und zur Nachkontrolle zusammenarbeiten.
Leitung des Runden Tisches, Noack/Hellmund
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NEUER TAG / Ausgabe Bernau, 8.2.1990, Leser erhalten Antwort
Wie weiter mit den aufgeklärten Objekten?
... Blumberg: Das Wirtschaftsgebäude in der Gutssiedlung sowie ein Komplex von drei Einfamilienhäusern im Grenzweg wurden an den Rat der Gemeinde übergeben.
Börnicke: Künftiger Besitzer des Gebäudes und der Anlagen in Helenau [!] wird das VEG (P) Albertshof sein. ...
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RE: Herbst 1989

#42 von Joop , 19.05.2019 15:07

War DDR wirklich wirtschaftlich an Ende und Pleite ?
Bis heute wird immer wieder behauptet: Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war 1989 pleite. Die Anhänger dieser These leugnen dabei Fakten und Untersuchungen, die dem widersprechen. Darauf hat der Wirtschaftshistoriker Jörg Roesler hingewiesen.
Er sagt auch, wer tatsächlich für den DDR-Untergang verantwortlich ist.

„Was wir nicht gewusst haben vor der Wiedervereinigung, das war, wie schlimm es um die ostdeutsche Volkswirtschaft stand und wie bankrott der Staat war.“ Das hat der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) kürzlich im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) behauptet. Und hinzugefügt: „Soll mir heute niemand mit Ostalgie kommen, da war nichts gut in der DDR!“

Zweckbehauptung ohne Grundlage
Die frühzeitig aufgekommene Behauptung, die DDR sei 1989 „pleite“ gewesen, stimmt aus Sicht des Wirtschaftshistorikers Jörg Roesler nicht. Das erklärte er im Sputnik-Gespräch. Nur mit Blick auf die Verschuldung gegenüber dem damaligen sogenannten nichtkapitalistischen Wirtschaftsgebiet (NSW) habe die DDR im Zahlungsrückstand gelegen. Die Verschuldung des Landes im Vergleich zu seinem Brutto-Inlandsprodukt (BIP) sei nicht höher gewesen als die Italiens zum Beispiel.
Für Roesler handelt es sich um eine Zweckbehauptung, um jenen, die durch die Zerstörung der DDR-Wirtschaft mehr als nur ihren Arbeitsplatz verloren, erklären zu können: Es ging nicht anders! Das Gegenbeispiel ist für ihn, dass heute Länder wie Italien mit vergleichbaren Schulden „nicht nur weiter existieren, sondern auch weiter mitmischen können“. Diese Staaten würden nicht zwangsläufig untergehen.

Bundesbank: DDR bis zum Schluss kreditwürdig
Die DDR hatte 1989 Nettoschulden gegenüber dem NSW von insgesamt rund 19,9 Milliarden Valuta-Mark (VM). Das hatte die Bundesbank bereits 1991 berechnet, aber erst 1999 veröffentlicht. Danach standen Devisenreserven der DDR von rund 28,96 Milliarden VM Verbindlichkeiten in Höhe von 48,84 Milliarden VM gegenüber. 1982 habe die DDR-Nettoverschuldung bei 25,15 Milliarden VM gelegen, worauf die politischen Entscheidungsträger ihre Verschuldungspolitik geändert hätten, so die Bundesbank vor 20 Jahren. 1985 habe sie nur noch bei 15,48 Milliarden VM gelegen, sei dann aber wieder angestiegen.
Die Bundesbank schrieb auch Folgendes: „Die internationalen Finanzmärkte sahen die Situation jedoch noch nicht als kritisch an. Sowohl im Jahre 1988 als auch 1989 konnten die DDR-Banken Rekordbeträge im Ausland aufnehmen.“
Wirtschaftshistoriker Roesler widersprach auch Aussagen, die DDR -Wirtschaft sei so „marode“ gewesen, das der Untergang kommen musste. Die Wirtschaft der DDR sei selbst nach westlichen Berechnungen in den 1980er Jahren gewachsen. Aber sie habe anders als noch in dem Jahrzehnt davor nicht mehr gegenüber der Bundesrepublik aufgeholt. Ihr Niveau habe bei etwas über 50 Prozent des westdeutschen BIP gelegen.

Warum die DDR-Wirtschaft abstürzte
Daraus zu schlussfolgern, dass die DDR-Wirtschaft „marode“ war, hält Roesler für „absurd“. Existenzielle Probleme habe sie erst mit der Grenzöffnung und der übereilten Anpassung an bundesdeutsche Vorgaben im Zuge der schnellen Einheit 1990 bekommen. Das wäre jedem anderen Land nicht anders gegangen, betonte der Experte.
Das Niveau der DDR bzw. Ostdeutschlands von 55 Prozent im Jahr 1989 im Vergleich zum westdeutschen BIP sei auf 33 Prozent im Jahr 1991 abgesackt. „Das hat nichts mit Pleite zu tun, sondern mit ihrer Behandlung mit Hilfe dieser Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion.“ Dieses Niveau von 1991 werde statt dem von 1989 als Ausgangspunkt für die Zwecklügen genommen, hob Roesler hervor.

Politische Vorgaben für Wirtschaft
Die Wirtschaft der DDR habe große Probleme bei notwendigen Investitionen gehabt, erklärte er. Das habe mit dem politischen Ziel zu tun gehabt, den sozialen und materiellen Wohlstand der Bürger des Landes zu sichern und auszubauen. Das habe sich besonders ausgeprägt, als 1971 Erich Honecker Walter Ulbricht als SED-Vorsitzenden ablöste. Vor allem ab den 1980er Jahren seien viele Industrieanlagen nicht mehr wie notwendig erneuert worden.
Es habe in der SED-Führung Streit darüber gegeben, ob der Lebensstandard zugunsten der Industrieentwicklung nicht weiter steigen dürfe. Entsprechende Vorschläge vom SED-Politbüromitglied Günter Mittag, verantwortlich für Wirtschaft, habe Partei- und Staatschef Honecker aber abgelehnt. „Wie hätten die Arbeiter reagiert, die die alten Anlagen beklagten, an denen sie arbeiteten, wenn ihre Löhne wegen der notwendigen Investitionen nicht steigen?“ Die Antwort auf diese Frage sei entscheidend gewesen, so Roesler.

Zugespitzte Warnung 1989

Nach dem Sturz Honeckers legte der DDR-Planungschef Gerhard Schürer gemeinsam mit anderen der DDR-Spitze im Oktober 1989 ein Papier vor, nachdem die Wirtschaft des Landes kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand. Das gilt bis heute für manche als Beweis dafür, dass die DDR 1989 „pleite“ war. Dabei wird ignoriert, dass die Autoren um Schürer ihre Angaben für das SED-Zentralkomitee später selber korrigierten.
Die Analyse der ökonomischen Situation hatte Honecker-Nachfolger Egon Krenz in Auftrag gegeben. „Das Papier war keine Kapitulation, sondern ein Wegweiser, wie eine souveräne DDR mit den Schwierigkeiten aus eigener Kraft hätte fertig werden können.“ Das schrieb Krenz 2009 in der Neuausgabe seines Buches „Herbst ‘89“ dazu. Ziel der Autoren sei es gewesen, „die Partei- und Staatsführung zu einer sozialistischen Wirtschaftsreform zu drängen“.
Historiker Roesler meinte dazu: „Das war ein Aufruf: Macht es anders! Aber nicht: Wir sind pleite!“ Das Besondere sei gewesen, dass das Papier Ende 1989 an die Öffentlichkeit kam. „Hätten sie es zwei Jahre vorher zusammen gehabt, wäre es nicht rausgekommen.“
Die zehn Jahre später veröffentlichte Bundesbank-Analyse habe nüchtern gezeigt: „Es war im normalen Bereich, es war kein Zusammensturz.“ Es habe keinen Grund gegeben für die Annahme, dass die DDR wirtschaftlich zusammenbrechen würde. Ihre vorhandenen ökonomischen Probleme seien zum Teil weltwirtschaftlich bedingt gewesen, wie die Bundesbank gezeigt habe, so Roesler. Deren spätveröffentlichte Analyse sei zudem ein Beleg dafür, wie schwer es die Wahrheit gegenüber politischen Interessen habe.

Politik ignorierte Experten
Für Experten, auch solche aus der DDR, ist klar, dass die inneren Probleme in der Wirtschaft der DDR in beachtlichem Maß durch die politischen Vorgaben der SED-Führung bedingt waren. Dieses realitätsfremde Verhalten bestimmte aber ebenso das Verhalten der Bundesregierung, als es um die deutsche Einheit ging. Deren Umgang mit der Wirtschaft der DDR und die folgende Deindustrialisierung Ostdeutschlands mit Hilfe der Treuhand hätten jegliche fachliche Einwände von Wirtschaftsexperten ignoriert, bestätigte Roesler.

Der ehemalige Vize-Chef der DDR-Plankommission Siegfried Wenzel, beteiligt an den Verhandlungen zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit der BRD, hat bereits 2000 eine Analyse „Was war die DDR wert?“ veröffentlicht. In der aktualisierten Ausgabe von 2015 zitierte Wirtschaftshistoriker Roesler Wenzels Aussagen in einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema: „Die DDR war im Jahre 1989 weder wirtschaftlich am Ende noch war sie pleite.“

Wenzel belegte diese Aussage in seinem Buch mit Zahlen und Fakten und verwendete dabei auch Vergleichsdaten anderer europäischer Staaten. Seine These, nicht der staatssozialistische Wirtschaftstyp sei das Problem der DDR gewesen, „sondern die fehlende Flexibilität der SED-Führung in der Preispolitik“, unterstützt Roesler.

Fehler im System der DDR
Die DDR hat es bei allen Bemühungen und entsprechenden Parolen wie der vom „Überholen ohne einzuholen“ nicht geschafft, den Rückstand zur BRD-Wirtschaft einzuholen. Der Wirtschaftshistoriker dazu in seinem Vorwort: „Als Hauptursache dafür benennt Wenzel ‚die grundlegenden, die ‚genetischen‘ Fehler des politischen und Gesellschaftssystems selbst‘. Darunter versteht er die Beanspruchung des Wahrheits- und Weisheitsmonopols durch die SED, die Negierung einer pluralistischen Demokratie und die bedingungslose Unterordnung der Wirtschaft unter das Primat einer voluntaristischen Politik sowie die Negierung ihrer Eigengesetzlichkeit.“
Zu den Ursachen zählen für Roesler aber ebenso die Belastungen durch die Reparationsleistungen an die Sowjetunion. „Es handelte sich um die höchsten Reparationen, die ein Land im 20. Jahrhundert zu zahlen hatte“, stellte Roesler fest. Das habe zu deutlich schlechteren wirtschaftlichen Ausgangs- und Entwicklungsbedingungen für die 1949 gegründete DDR geführt im Vergleich zu jenen für die im selben Jahr gegründete BRD.

Funktionsfähige Planwirtschaft
Der Wirtschaftshistoriker verweist im Vorwort zu Wenzels Buch auf die Untersuchungen von Gerhard Heske vom Kölner Zentrum für Historische Sozialforschung aus den Jahren nach 2005. Dieser hatte mit Hilfe der vorhandenen Daten einen deutsch-deutschen ökonomischen Leistungsvergleich vorgenommen. Roesler fasst das so zusammen: „Der heute jedem Interessierten mögliche Nachvollzug des Produktivitätswettbewerbs zwischen DDR und BRD ist gewissermaßen der wirtschaftsstatistische Beweis der von Siegfried Wenzel mehrmals getroffenen Feststellung, dass die DDR-Planwirtschaft sicherlich viele Fehler und Mängel gehabt habe, dass sie aber nichtsdestotrotz funktionsfähig gewesen sei.“

„Aufholen, ohne einzuholen!“ heißt Roeslers eigenes Buch über „Ostdeutschlands rastlosen Wettlauf 1965 – 2015“. Darin stellte er 2016 fest, dass die DDR-Wirtschaft 1989 vor der Aufgabe grundlegender Reformen stand. Diese seien unter dem SED-Generalsekretär Erich Honecker nicht möglich gewesen. Erst nach dessen Rücktritt im Oktober 1989 und mit der neuen DDR-Regierung unter Hans Modrow ab November des Jahres seien Reformen möglich geworden. Doch das dafür von der neuen Wirtschaftsministerin Christa Luft gemeinsam mit anderen Experten vorgelegte Konzept hatte am Ende keine Chance mehr. Das Ende der DDR kam am 2. Oktober 1990 schneller, als es viele noch im Herbst 1989 für möglich hielten.

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