Für die NVA wurden „für den Zeitraum vom 6.10.1989, 6.00 Uhr, bis zum 9.10.1989, 6.00 Uhr, Sicherheitsmaßnahmen festgelegt“. Allseitig waren die zum Einsatz kommenden Angehörigen der Streitkräfte auf ihren Dienst vorzubereiten.
Parks, Waffenkammern, Munitions- und Tanklager waren besonders zu sichern. In der Militärmedizinischen Akademie und im Lazarett Potsdam wa-ren zusätzliche Bettenkapazitäten bereit zu halten. Diese bei militärischen Übungen übliche Maßnahme bekam angesichts der politischen Lage eine andere Bedeutung: Man kalkulierte blutige Auseinandersetzungen mit Bürgerinnen und Bürgern ein. Zudem befahl der Minister, folgende Kräfte vorzubereiten und in Bereitschaft zu halten: ein Einsatzkommando des Wachregiments 2 in Strausberg mit 200 Mann, ein Mot.-Schützenbataillon des Mot.-Schützenregiments 2 in Stahnsdorf in Stärke von 350 Mann, eine Fallschirmjägerkompanie des Luftsturmregiments 40 in Lehnin, eine Hubschrauberstaffel, 6 Hubschrauber Mi-8T, mit Kräften und Mitteln der flugtechnischen Sicherstellung vom Hubschraubergeschwader 34 auf dem Flugplatz Brandenburg/Briest in der Bereitschaftsstufe 3 und ein Einsatzkommando von 300 Mann des Wachregiments Berlin. Die Kommandeure der Verbände und Truppenteile hatten bei Notwendigkeit weitere Maßnahmen zu treffen.
Diese Kräfte, bald meist als Hundertschaften bezeichnet, waren umstrukturierte, armeeuntypische, aber weiterhin militärische Formationen. Sie hatten Waffen und Munition mitzuführen, wobei die Frage des Schusswaffengebrauchs offen gelassen wurde. Dieser Einsatz war dem Befehl des Ministers vorbehalten.
Zur Gewährleistung der Führungsbereitschaft in den verschiedenen Bereichen des Ministeriums, in den Kommandos der Teilstreitkräfte und den Kommandos der Militärbezirke mussten die Chefs außerhalb der Dienstzeit in ihren Wohnungen ständig erreichbar sein. Analoges galt für die Verbände und Truppenteile der Teilstreitkräfte.
Weiter war in der Anlage 1 zum Befehl festgelegt, Vorkommnisse auch dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zu melden. Damit wurde die Meldepflicht in der Armee auf die Staatssicherheit ausgedehnt, waren NVA-Angehörige zu einem Dienst für den Überwachungs- und Unterdrückungsapparat verpflichtet. Außerdem verfügte der Minister, eine verstärkte Grenzsicherung vorzubereiten, während der kein pionier- und signaltechnischer Ausbau an der Staatsgrenze der DDR zu Berlin-West durchgeführt werden durfte und weitere Maßnahmen für die Grenztruppen der DDR, auf die hier nicht einzugehen ist.
Für eine solche Verwendung waren die Führungsorgane der Armee und die Soldaten weder bestimmt noch ausgerüstet und ausgebildet. Sie verstieß gegen die Verfassung der DDR, die der NVA und den anderen Organen der Landesverteidigung nichts anderes als den Schutz „gegen alle Angriffe von außen“ übertrug.
Durch den Befehl wurde die NVA in die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols im Innern einbezogen, die Aufgabentrennung zwischen Armee, Polizei und Staatssicherheit zeitweise aufgehoben. Mit den Direktiven und dem Befehl griff die DDR-Führung nach dem 17./18. Juni 1953 und dem 13. August 1961 ein weiteres Mal mit militärpolitischen und militärischen Maßnahmen in eine akute innenpolitische Lage ein. Es ist bemerkenswert, dass der Befehl nur einem kleinen Personenkreis bekannt gegeben wurde.